So winzig Luxemburg auch sein mag, so riesig ist doch das Repertoire seiner Legenden und Geschichten. In der Facebook-Gruppe Geheimnisvollt Lëtzebuerg sammeln über 5.000 Bürger*innen des Großherzogtums all jene Sagen, die vielerorts bereits in Vergessenheit geraten waren und geben Einblick in die reiche Welt der Luxemburger Folklore.
Wer kennt sie nicht, die Legende der Wassernixe Melusina. Laut Luxemburger Volkserzählungen soll das mystische Wesen sich unsterblich in Graf Siegfried verliebt haben, den ersten Burgherrn von Lucilinburhuc auf dem Bockfelsen, dessen Überreste in Form der Kasematten als Wahrzeichen des Großherzogtums gelten. Die Legende besagt, dass die Sirene aus dem Alzette-Tal ihr wahres Ich jedoch vor dem Grafen verbarg und nur samstags, versteckt vor den Augen ihres Gatten, ihre Schwanzflosse offenbarte. Siegfried brach jedoch sein Gelöbnis gegenüber Melusina, sie niemals an diesem speziellen Tag zu treffen, und erblickte ihre Fabelwesen-Natur durch das Schlüsselloch, woraufhin die Nixe in der Alzette verschwand und nunmehr nur noch alle sieben Jahre im Bockfelsen auftaucht, um eine Masche in einem Kleidungsstück zu stricken.
Es existieren zahlreiche solcher Sagen und Legenden rund um das kleine Luxemburg, denn auch in den alten Mauern und tiefen Wäldern des Landes hat sich so mancher Spuk und Aberglaube zusammengetragen. In der Facebook-Gruppe Geheimnisvollt Lëtzebuerg tummeln sich Anfang 2022 über 5.000 Mitglieder, die die oftmals längst vergessenen „Seechen“ (luxemburgisch für Sagen) wieder aus ihrem verstaubten Dasein herauskramen und mit anderen teilen. Gegründet wurde die Gruppe von Deutsch- und Geschichtslehrer Robert Grof, der schon lange ein Interesse für alles Geheimnisvolle hegte. „Der Hintergrund war die Geistergeschichte einer weißen Dame, auf die ich nach einem Trip zum Düdelinger Gehaansbierg stieß“, so Grof.
Die mysteriöse Dame des Gehaansbierg
Im Sommer 2016 kam der Geschichtsliebhaber bei einem Spaziergang an der alten Burgruine auf dem Hügel Mont St. Jean vorbei und war fasziniert von den vielen Grabsteinen, die diese umgeben. „Ich erinnerte mich an ein altes Buch, das ich zuhause über Sagen besitze. Es gilt als Standardwerk für alte Volksgeschichten: Der Sagenschatz des Luxemburger Landes von Nikolaus Gredt. Ich fragte mich, wer die Burg wohl erbaut hatte und ob es noch weitere solche Legenden gibt.“ Die Sage der weiß gekleideten Dame kennt mehrere Versionen, eine davon besagt, dass die geisterhafte Erscheinung alle sieben Jahre im Mai am „Schenkbur“ des Scherr oder vor der Kapelle auftaucht, um sich in der Quelle zu waschen, ihre Haare zu kämmen und ihre unglückliche Liebe zu beklagen.
Als Identität der Geisterfrau gibt Gredt den Namen Elisabeth von Hunolstein an, dem letzten Mädchen des Rittergeschlechtes, das in der Burg auf Johannisberg hauste. Das Burgfräulein soll der Legende zufolge ihrem Gatten, dem französischen Ehrenmann von Wendel aus Reims, nach Frankreich gefolgt sein, wo sie diesem einen Sohn gebar. Da die Ehe jedoch weniger glücklich verlief als geplant, flüchtete Elisabeth wieder nach Luxemburg, wo sie einsam und zurückgezogen in ihrer Burg lebte und auch hier starb. Ihr Tod gilt als schlechtes Omen für die Region, denn in den Jahren danach brach Armut und Zerstörung über die Anwohner*innen Düdelingens ein.
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