Die Diskussion über autofreie Städte und Straßen führt stets zu erhitzten Gemütern: Die einen sind dafür, die anderen dagegen. Doch es kann sehr wohl ein Dazwischen geben. Wie Shared Spaces den Übergang erleichtern können und wie gut das autofreie Viertel in Limpertsberg funktioniert.
"Ich frage mich eher: 'Wer möchte das hier nicht?'" Gemeinsam mit Monique Goldschmit stehen wir im Verger Ermesinde. Das autofreie Viertel in Limpertsberg liegt einen 15-minütigen Fußmarsch vom hauptstädtischen Zentrum entfernt. Unrecht hat sie nicht, denn man fühlt sich hier alles andere als in einer Hauptstadt. Luxemburg ist selbstverständlich nicht mit einer Großstadt gleichzusetzen, aber dennoch erscheint diese Stille beinahe unwirklich. Vor 20 Sekunden befanden wir uns noch in der Avenue de la Faïencerie, einer viel befahrenen Straße in Limpertsberg. Der Lärm, der Verkehr, die Hektik, all dies wurde innerhalb weniger Schritte zurückgelassen.
Monique Goldschmit, die ebenfalls Präsidentin des Interessenvereins ProVelo ist, wohnt seit zwei Jahren in der Rue Pierre Notting. "Jetzt ist alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte", meint sie mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck. "Anfangs gab es viele Diskussionen: Die Fahrradständer fehlten, die Garagen für die Fahrräder waren nicht fertiggestellt, der Fahrradweg führte nicht bis ins Viertel, man konnte mit dem Auto bis vor die Tür fahren …" Das heißt auch, wenn es zum Einkaufen geht, wenn eine Lieferung ansteht oder jemand zu Besuch kommt, müssen die Autos inzwischen draußen bleiben. "Diese zwei Pfosten", beginnt Goldschmit und zeigt auf den Eingang zum Viertel, der über die Avenue Pasteur führt, "kamen nach und können mittlerweile nur mit einem passenden Schlüssel abgebaut werden. Anfangs gab es Leute, die sie abgeschraubt haben, um hier hineinzufahren." Erwartet jemand eine größere Lieferung könne angefragt werden, um doch bis vor die Tür zu gelangen. "Die Post-Auslieferer können mit ihren kleinen Elektro-Mobilen zwischen den Pfosten hineinfahren. Essenauslieferer sind mit ihren Scootern unterwegs und die sind auch klein genug, um hereinzukommen, aber das ist nicht dramatisch."
Das kleine autofreie Viertel
Genauso bekomme niemand im Verger Ermesinde einen Parkausweis, eine 'Vignette', die eigentlich allen Anwohner*innen in den hauptstädtischen Vierteln zusteht. Entweder muss das Auto auf der Straße stehen und Fahrer*innen sind verpflichtet, von 8.00 bis 18.00 Uhr den Parkautomaten zu füttern oder sie greifen auf einen gebührenpflichtigen Parkplatz zurück. "Hier wohnen auch Leute mit Auto, die dennoch in einem Viertel ohne Auto leben wollten. Dann gibt es welche, die ein Auto haben und sich nun ein Cargo-Bike (Lastenrad, mit dem Lasten oder Personen transportiert werden können, d. Red.) angeschafft haben und ihre Kinder damit zur Schule bringen." Monique Goldschmit besitzt selbst – unter anderem – ein Cargo-Bike, jedoch seit Jahren kein Auto mehr. "Ich habe Carloh", meint sie und lacht. Carloh ist ein Car-Sharing-System mit 23 Stationen und 46 Fahrzeugen in der Hauptstadt. "Ich habe immer ein Auto, wenn ich eines brauche." Goldschmit gestaltet ihre Transportmöglichkeiten aus einem Mix aus allem – Fahrrad, Carloh, öffentlicher Transport. "Ich fahre von hier mit dem Fahrrad zur Tram oder zum Knuedler-Parkhaus in die Hauptstadt und steige um."
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