Für mehr Kultur, die alle mit einbezieht

Von Laura TomassiniLex Kleren

Künstler*innen, die mit einer Behinderung leben, haben im Alltag oft mit Barrieren zu kämpfen. Jenen, die ihr Körper oder Geist ihnen auferlegt, vor allem aber jenen, die durch Vorurteile entstehen und gesellschaftlicher Natur sind. Mit viel Hingabe und etwas Hilfe von außen schaffen manche es dennoch auf die große Bühne – und genau dort gehören sie hin.

"Egal, in welchem Stück ich spiele oder was ich tanze, wenn ich auf der Bühne stehe, habe ich Mut, Dinge zu tun, die ich mich sonst nicht trauen würde. Ich fühle mich frei." Sandra Fernandes Fitas ist professionelle Künstlerin im Kollektiv Dadofonic der Ligue HMC. Seit ihrer Kindheit begeistert sie sich für darstellende Künste, denn beim Schauspiel, Tanz oder Schreiben kann sie Gefühle, Gedanken und Sorgen rauslassen, die man der fröhlichen Kulturliebhaberin sonst nicht direkt ansieht und für die sie nicht immer die richtigen Worte findet. "Ich kann nicht wirklich sagen, was ich genau habe. Ich habe einfach Schwierigkeiten beim Lesen und teilweise beim Sprechen", erklärt Sandra.

Ihre Behinderung ist unsichtbar und auch im direkten Dialog kaum zu erkennen, denn wenn Sandra über Theater spricht, steht ihre Leidenschaft über ihrer Beeinträchtigung. Früher war das nicht immer so, die Künstlerin erinnert sich an weniger schöne Momente in ihrem Leben. Im Tanzen war sie als Jugendliche die einzige mit speziellen Bedürfnissen und wurde aufgrund ihres "Andersseins" von Gleichaltrigen gemobbt. Erst bei einem Theaterstück der Pfadfinder*innen, in dem neurodiverse und neurotypische Personen gleichsam mitwirkten, erlebte sie, dass es auch anders sein kann – und beschloss, Schauspielerin zu werden. "Ich würde auch gerne mehr tanzen, aber man muss mich respektieren, mit all meinen Ticks", so die Dadofonikerin.

Der Traum davon, gesehen zu werden

In ihrer Gruppe ist ebenfalls Fränckie Friederich, professioneller Schauspieler, Jongleur und Schriftsteller des Kollektivs. Der 33-Jährige lebt zwar autonom, braucht aber Hilfe bei manchen alltäglichen Dingen, denn auch er hat spezifische Bedürfnisse. "Ich stehe zwar nicht unter Vormundschaft, kann aber zum Beispiel Überweisungen nicht alleine tätigen, denn vor allem Dinge, die mit Computern zu tun haben, überfordern mich", erklärt Fränckie. Er und Sandra brauchen eben eine gewisse Betreuung, die ihnen im Kollektiv geboten wird. In der geschützten Werkstatt verbringen die Künstler*innen ihre Arbeitsstunden mit kreativem Schaffen, dem Erlernen neuer Fähigkeiten und Proben, denn ihre Behinderung hindert die Dadofoniker*innen nicht daran, ihrem Traum vom Auftritt vor Publikum nachzugehen.

"Auf der Bühne zu stehen, gibt mir richtig viel Adrenalin, im Positiven. Es ist ein Gefühl, das man gar nicht beschreiben kann", sagt Fränckie, der noch lieber als im Theater auf der Straße performt, in direkter Interaktion mit seinen Zuschauer*innen. Die Festanstellung im Kollektiv war für den 33-Jährigen damals ein Überraschungsei, denn "ich wusste nicht wirklich, was mich erwarten würde. Mir war gar nicht bewusst, dass ich von Kunst leben können würde".

Du willst mehr? Hol dir den Zugang.

  • Jahresabo

    185,00 €
    /Jahr
  • Monatsabo

    18,50 €
    /Monat
  • Zukunftsabo für Abonnent*innen im Alter von unter 26 Jahren

    120,00 €
    /Jahr

Du hast bereits ein Konto?

Einloggen