Einmal Familie, immer Familie - oder?

Von Laura TomassiniMike ZenariLex Kleren

Insgesamt 529 Kinder und Jugendliche leben derzeit in Luxemburg in einer Pflegefamilie. Das alternative Zuhause soll Schutz bieten für jene, deren Eltern das Kindeswohl nicht gewährleisten können, ist gleichzeitig aber eine Challenge für die, die genau dies tun wollen, denn ist man erst einmal eine Familie, lässt sich diese Bindungen nur schwer wieder trennen.

Fremdbetreuung ist in Luxemburg keine Rarität, sondern gehört für viele Kinder fest zum Alltag dazu. Laut dem nationalen Bericht 2022 zur Situation der Kinder in Luxemburg nahmen 2020 insgesamt 49.035 Kinder das System des Chèque-Service-Accueil in Anspruch und wurden fremdbetreut – also 56,38 Prozent der hier lebenden Null- bis Zwölfjährigen. Während die in Crèches, Maisons Relais oder bei Tageseltern betreuten Kinder jedoch nach durchschnittlich sechs Stunden pro Tag wieder zu ihren Eltern zurückkehren, verbringen andere auch die restliche Zeit in Fremdbetreuung.

"Wenn die Sicherheit, gute Entwicklung oder Erfüllung der Grundbedürfnisse eines Kindes nicht mehr in seiner Herkunftsfamilie garantiert werden können, dann ist es die Aufgabe des Staates dafür zu sorgen, dass das betroffene Kind in einem alternativen Umfeld aufwachsen kann", erklärt Michèle Bressanutti, Direktorin der Abteilung für Kinder- und Familienhilfe beim Office National de l'Enfance, kurz ONE. Während lange Zeit Kinderheime als einziger Zufluchtsort für betroffene Kinder galten, hat sich in der Wissenschaft zum Kindeswohl herausgestellt, dass das Verarbeiten traumatischer Erlebnisse, sowie der Aufbau positiver Bindungen besser in kleinerem Rahmen funktionieren.

Rückführung gewünscht

Einen solchen bietet eine Pflegefamilie. Sei es für kurze, mittelfristige oder längere Dauer – können biologische Eltern sich nicht mehr adäquat um ihr Kind kümmern, dann übernehmen andere Erwachsene diese Aufgabe. Der Entschluss, welche Art der Unterbringung für ein Kind die richtige ist, liegt derzeit in den meisten Fällen beim Gericht. "In einer idealen Welt hätte jedes Kind die Möglichkeit, in einer alternativen Familie unterzukommen. Dies ist leider aber nicht der Fall, da es mehr betroffene Kinder als Pflegefamilien gibt", erklärt Bressanutti.

Eine Pflegefamilie sei eine Hilfsmaßnahme, die im Idealfall nur übergangsmäßig gebraucht würde, denn das ultimative Ziel des ONE sei stets, dem Kind eine Rückführung in seine biologische Familie zu ermöglichen. Während die elterliche Autorität, also das offizielle Sorgerecht, bei der Platzierung nach einem Jahr auf die Pflegeeltern übertragen wird, behalten die biologischen Eltern deshalb ein Besuchsrecht. "Es ist wichtig, dass eng mit den biologischen Eltern zusammengearbeitet wird und man sie direkt von Anfang an ins Boot holt, denn ein Bruch bedeutet für die Kinder immer noch zusätzliche Schwierigkeiten", erklärt Inês Dias, Leiterin der ONE-Abteilung zum Schutz von Kindern.

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