Ein Leben zwischen zwei Welten

Von Laura TomassiniTammy Schuh

Zuhause haben Kateryna Saiko und Inna Iermolenko eine glückliche Familie, ein gemütliches Zuhause und einen Job, den sie lieben. In Luxemburg sind sie zwei von vielen Geflüchteten aus der Ukraine, die auf die Hilfe anderer angewiesen sind, während sie gleichzeitig um alles, was sie sich in der Heimat aufgebaut haben, bangen müssen.

„Ich weine nicht viel, denn ich habe eine Tochter, die sehen muss, dass in Zukunft wieder alles in Ordnung sein wird.“ Nur ein einziges Mal kamen Kateryna Saiko seit ihrer Ankunft in Luxemburg die Tränen, nämlich als sie in den ersten Wochen in Deutschland zum Frisör ging und dort nichts zahlen musste. „Zu Beginn hatten wir nicht viel Geld und als die Dame im Salon mir nach dem Haareschneiden sagte, sie verstehe meine Situation und würde mir den Schnitt schenken, kamen mir die Tränen“, so die 41-Jährige.

Gemeinsam mit ihrer 16-jährigen Tochter Yelyzaveta floh Kateryna, die von ihrer Familie und Freund*innen Kate genannt wird, Anfang März aus der Ukraine. Sie ließ nicht nur ihre Heimat für einen unbekannten Zeitraum hinter sich, sondern ebenfalls ihren Ehemann und ihre Mutter, die beide zurückblieben, um sich um das gemeinsame Haus zu kümmern und weiterzuarbeiten. „Wir wollten nicht flüchten, denn wir hatten ein Zuhause und ein glückliches Leben, aber unsere Heimatstadt Saporischschja im Süden der Ukraine besitzt das größte Kernkraftwerk Europas – zum Vergleich: Tschernobyl hatte zwei Reaktoren, in Saporischschja gibt es gleich sechs –, welches am 4. März von den russischen Truppen eingenommen wurde, also wurde es für uns dort zu gefährlich“, erklärt Kateryna.

Die Reise ins Ungewisse

Am darauffolgenden Morgen brachen sie und ihre Tochter also zum Bahnhof auf – wohin die Fahrt sie führen würde, war zu dem Zeitpunkt noch ungewiss. „Wir haben keine Verwandten an der Grenze, also wussten wir nicht, wohin.“ Um 6.00 Uhr morgens warteten die beiden Frauen bei Minusgraden während drei Stunden auf einen Zug, der sie in Sicherheit bringen sollte. „Am Gleis waren hauptsächlich Mütter mit Kindern, die Männer bildeten eine Kolumne zu unserem Schutz“, erinnert sich Kateryna. Anstelle der maximalen 45 Personen seien rund 150 in die Wagons gestiegen, die Menschen hätten auf ihren Koffern Platz genommen, um ins Ungewisse zu starten.

Die Endstation lautete schließlich Polen, erzählt die Mutter. Dort hätten sie und ihre Tochter acht Stunden ohne Nahrung oder Wasser gewartet, bis jemand sie zur Flucht nach Luxemburg überredete. „Unsere aktuelle Gastfamilie aus Echternach holte uns mit dem Auto in Polen ab und brachte uns hierher, wo unser Leben nun weitergehen muss.“ Zurück nach Saporischschja wollen und können die Ukrainerinnen derzeit nicht, denn nur drei Stunden entfernt wurde die Stadt Mariupol bereits von den russischen Truppen eingenommen. „Meine Tochter geht deshalb aktuell in Echternach zur internationalen Schule und lernt zusätzlich zu Englisch und Französisch noch Deutsch und Luxemburgisch. Parallel dazu beendet sie ihr letztes Jahr an der ukrainischen Schule im Homeschooling“, erklärt Kateryna.

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