Diesen Artikel hören
Die Journal-Redaktion wird ab heute in regelmäßigen Abständen Editorials veröffentlichen. Warum wir das bisher nicht getan haben, und wie es zu der Entscheidung kam, das zu ändern.
Dieser Artikel wird dir gratis zur Verfügung gestellt. Wenn du unser Team unterstützen willst, schließe jetzt ein Abo ab.
Seit über drei Jahren gibt es das Lëtzebuerger Journal nicht mehr im Print-Format. Genauso lange haben unsere Journalist*innen, bis auf den satirischen Wochenrückblick von Pascal Steinwachs und die wöchentliche Chronik von Claude Frisoni, keine Meinungsbeiträge mehr veröffentlicht. Aus gutem Grund: Der Fokus der Redaktion lag und liegt darauf, Themen in der Tiefe zu behandeln, mehrere Perspektiven zu einem Thema zu beleuchten und den Lesenden am Ende so viele Informationen wie möglich zu liefern, damit diese sich eine eigene, fundierte Meinung bilden können.
Die anfängliche Entscheidung, keine Meinungsbeiträge zu veröffentlichen, wurde auch von der Flut an Meinungen beeinflusst, die das Internet tagtäglich förmlich überschwemmen. Wir wollten dem erst einmal Fakten entgegensetzen.
Zudem hatte meine persönliche Erfahrung mit dem Verfassen von Meinungsbeiträgen bei einer Tageszeitung einen bleibenden, nicht sehr positiven Eindruck hinterlassen. Wer auf dem Plan stand, musste an dem Tag eine Meinung zu etwas haben – egal, ob man sich bereits tiefgehend damit beschäftigt hatte oder nicht. Das Ergebnis stellte mich selten zufrieden. Wenn ich den Menschen schon meine Meinung mitteilen sollte, dann zu etwas, mit dem ich mich bereits intensiv beschäftigt hatte. Alles andere fühlte sich falsch an. Wie nur eine weitere Meinung unter tausenden, die ohne Mehrwert ins Internet herausposaunt wurde.
"Unsere Journalist*innen veröffentlichen nur Editorials zu Themen, mit denen sie sich selbst bereits tiefgehend beschäftigt haben."
Genau das ist jetzt anders. Die Journal-Redaktion beschäftigt sich intensiv, über Monate und Jahre mit den Themen, über die sie schreibt. Die Zeit, die wir uns nehmen, ist das, was uns im Wesentlichen von anderen Redaktionen unterscheidet. Wir profitieren davon, uns nicht von Nachrichten treiben zu lassen, sondern auch mal einen Schritt zurückzugehen, um Themen anders anzugehen. Unsere Journalist*innen verfolgen ihre Dossiers, sprechen mit Betroffenen und Expert*innen und verschaffen sich und den Lesenden einen Überblick darüber, worum es jeweils geht und welchen Einfluss dieses und jenes hat.
Der lösungsorientierte Ansatz, mit dem unsere Redaktion ihre Recherchen angeht, erlaubt es uns zusätzlich, diesen in Meinungsbeträge miteinfließen zu lassen. Denn wenn wir nicht mehr nur davon lesen, wie schlimm alles ist, sondern auch, wie es besser gemacht werden kann und zum Teil auch schon wird, hören wir auf, uns hilflos zu fühlen.
Nach gemeinsamen Diskussionen in der Redaktion waren wir uns deshalb einig: Mit unseren Meinungsbeiträgen können wir einen echten Mehrwert schaffen. Hier fassen unsere Journalist*innen ihre umfangreichen Recherchen zu einem bestimmten Thema für Leser*innen greifbar zusammen und helfen dabei, dieses besser einordnen zu können. Denn manchmal entwickelt man die eigene Meinung auch erst, wenn man etwas liest, mit dem man nicht einverstanden ist.
Es bleibt jedoch eine wichtige Voraussetzung: Unsere Journalist*innen veröffentlichen nur Editorials zu Themen, mit denen sie sich selbst bereits tiefgehend beschäftigt haben. Davon haben sich in den vergangenen drei Jahren genügend angesammelt.
Den Anfang wird kommende Woche Misch Pautsch machen. Er hat sich über viele Monate mit struktureller Gewalt in Luxemburgs Schulen befasst und hierfür sowohl on- als auch off-the-record mit den verschiedensten Menschen aus dem Bildungswesen über das Thema gesprochen. Herausgekommen sind drei Artikel und viele weitere Ideen für zukünftige Recherchen.
Wir werden uns auch weiterhin darauf konzentrieren, Themen so breitgefächert zu behandeln, dass Lesende am Ende die bestmögliche Ausgangsposition haben, um sich eine eigene, fundierte Meinung zu bilden. Unsere Editorials dienen sozusagen als "cherry on top", weil wir glauben, dass die Meinung unserer Journalist*innen wertvolle Denkanstöße geben kann. Unsere Leser*innen dürfen und sollen gerne anderer Meinung sein, und uns das auch per Mail an die jeweiligen Verfasser*innen des Editorials mitteilen. Das wird es uns erlauben, noch mehr Perspektiven miteinzubeziehen und weitere Recherchen anstoßen.