Die Pädiatrie, eine ewige Baustelle

Von Sarah RaparoliLex Kleren

Die Situation der Kinderärzt*innen in Luxemburg hat sich nach den intensiven Monaten letzten Herbst wieder beruhigt, lässt jedoch weiterhin zu wünschen übrig. Warum die Branche scheinbar keine jungen Nachfolger*innen anzieht und es der Politik an Weitsicht fehlt.

"Ich bin auch nicht mehr der Jüngste", entgegnet Dr. Serge Allard in seinem Büro im Zentrum für Pädiatrie in Val-Ste-Croix (Belair), "und werde in einigen Monate 60. Ich mache meinen Job gerne, aber es ist sehr anstrengend im Moment." Der Pädiater studierte in Belgien, kam 1994 nach Luxemburg zurück und bekleidet aktuell das Amt des Präsidenten der luxemburgischen Gesellschaft der Pädiatrie (SLP). Während er berichtet, ist nicht zu übersehen, dass die letzten Monate ihrer Spuren hinterlassen haben. "Die Lage hat sich seit Anfang des Jahres wieder beruhigt."

Rückblick: Mit dem Herbstanfang stiegen die Bronchiolite-Fälle bei den Unterzweijährigen im Großherzogtum. Die Bronchiolitis ist eine Viruserkrankung, die hauptsächlich durch das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV) verursacht wird. In diesem Fall werden die Bronchiolen, auch kleine Bronchien genannt, des Säuglings infiziert. Die Luft in der Lunge kann dadurch nicht mehr frei zirkulieren. Die Viruserkrankung befällt die Atemwege von Kleinkindern und kann eine laufende Nase, Fieber, Husten, Keuchen beim Ausatmen und Atemnot verursachen. Im Oktober, November und Dezember spitzte sich die Situation zu. Alle paar Jahre ist die Situation angespannter, aber warum es 2022 so schlimm war, sei nicht gewusst.

Schwer den Leuten nein zu sagen

Dr. Allard blickt ebenfalls zurück: "Wir hatten Tage, da sind wir morgens um 8.00 Uhr gekommen und erst abends um 7.00 Uhr wieder gegangen." Er wühlt sich am Computer durch seinen Kalender und geht zu diesen drei Monaten zurück. "Wie Sie sehen, hatten wir währenddessen fast keine Pause. Vielleicht fünf Minuten, um schnell ins Brötchen zu beißen." Und ja, in dem Kalender, den wir vor uns sehen, ist kein einziger Slot frei – und das Tag für Tag. Hinzu komme, dass sich ein verspäteter Termin auf alle nachfolgenden auswirkt. "Wenn jemand zu spät kommt, muss ich schauen, damit zurechtzukommen", meint der Arzt.

Im Durchschnitt sehe er 35 Patient*innen pro Tag. Pro Sitzung plane er je nach Fall 15 bis 30 Minuten ein. "Meine Sprechstunden sind immer voll. Letztes Jahr sind allein in Luxemburg-Stadt 4.000 Menschen hinzugezogen. Viele Expats, die Ärzte für ihre Kinder brauchen, die es jedoch nicht gibt." Das Zentrum in Belair versuche alle Kinder aufzunehmen. "Ich kann den Menschen nicht einfach nein sagen", entgegnet der Mediziner, "aber alles hat Grenzen". Es sei immer so, dass die Familien, die ohnehin mit einem Kind zu Dr. Allard kommen, sicher sein können, dass Nachkömmlinge auch von ihm behandelt werden.

"Im Herbst war es so, dass meine Sekretärin früh montagmorgens Anrufe erhielt von Eltern, die sagten, dass ihr Kinderarzt keinen Termin mehr freihätte. Da muss man halt abends eine Stunde länger arbeiten oder den freien Nachmittag canceln." Diese Meinung vertritt auch Dr. Alexander Schulze-Berge, seit 2007 in Luxemburg als Kinderarzt tätig und aktuell in Diekirch niedergelassen. "Ich befolge die Regel: Meine Patienten bekommen einen Termin und erst dann gehe ich nach Hause." So sei es zu Spitzenzeiten zu 60 Patient*innen am Tag gekommen. Aktuell seien es wie bei seinem Kollegen in der Hauptstadt um die 30 bis 40. Im niedergelassenen Bereich könne es laut dem Mediziner nicht funktionieren, "wenn nur liberal gedacht wird", heißt, wenn jemand als Mediziner*in niedergelassen ist, müsse sich diese Person auch um seine*ihre Patient*innen kümmern. "Freiheit funktioniert nicht ohne Verantwortung."

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