„Die Landwirtschaft ist ganz klar unterbewertet“

Von Christian BlockAnouk Flesch

In der Corona-Pandemie gilt die Landwirtschaft als systemrelevant. So behandelt fühlen sich Landwirt*innen allerdings nicht. Im Gespräch mit Guy Feyder, Präsident der Landwirtschaftskammer, über die Perspektiven und die Herausforderungen der Branche.

Lëtzebuerger Journal: Covid-19 bleibt uns wohl noch eine ganze Weile erhalten. Wie ist der Landwirtschaftssektor bislang durch die Krise gekommen?

Guy Feyder: Die Bilanz fällt eher durchwachsen aus. Nach einem Jahr muss man festhalten, dass der Schaden im Bereich Fleisch, vor allem beim Schweinefleisch aber auch beim Rindfleisch groß ist. Beim Rindfleisch ist die Ursache klar in der Schließung der Restaurants zu finden. Der Verbrauch wurde anders als bei der Milch erstaunlicherweise nicht durch den Verkauf im Supermarkt aufgefangen. Bei der Milch sind wir irgendwie mit einem blauen Auge davongekommen. Die Schweinefleischproduzenten waren zusätzlich von den Folgen der Schweinepest betroffen. Weil Luxemburg stark mit dem deutschen Markt verknüpft ist und Deutschland Exportmärkte abhandengekommen sind, vor allem Richtung China, hat das hierzulande für Druck gesorgt. Die Preise haben sich zwar ein wenig erholt, doch es geht auf Biegen und Brechen. Die Leute verlieren jeden Tag Geld. Auch im Weinbau ist der Schaden groß, besonders bei den großen Produzenten, weil viele Feste und Events nicht stattfinden konnten und die Cafés geschlossen blieben.

Die Landwirtschaft wurde in der Covid-19-Krise als systemrelevant eingestuft. Doch Bauern und Bäuerinnen fühlen sich nicht unbedingt so behandelt. Immer mehr Bürokratie, Gesetze und Verordnungen oder eine Top-Down-Politik sind einige der von ihnen geäußerten Kritikpunkte. Sehen Sie das auch so?

Ich muss das mit beiden Händen unterschreiben. Früher war die Landwirtschaftskammer, die offizielle Vertretung der Landwirte, Winzer und Gärtner, der privilegierte Gesprächspartner der Regierung, das haben wir mehr als einmal zu hören bekommen. Heute stellen wir fest, dass der Agrarsektor stiefmütterlich behandelt wird. Die Bauern spüren das. Für sie hat das stärker mit der politischen und gesellschaftlichen Debatte zu tun hat. Wir spüren es auch im institutionellen Gespräch. Die Agrikultur ist klar in der politischen Wahrnehmung unterbewertet. Das ist einfach so. Wir haben das insbesondere im Entstehungsprozess des Agrargesetzes gemerkt. Die „Chambre d´Agriculture“ hat sich wie bei jeder Neuauflage des Agrargesetzes viel Mühe gemacht, um ihre Standpunkte zu formulieren. Wir mussten dann feststellen, dass quasi nichts davon zurückbehalten wurde. Daran misst sich eben die Wahrnehmung durch die öffentliche Hand. Diese Erosion müsste dringend gestoppt werden, weil sie nämlich im Widerspruch dazu steht, dass der Sektor systemrelevant ist. Vor einem Jahr waren ein paar Tage lang die Regale leer und jeder hat sich gefragt, wo denn unsere Bauern sind. Wir wurden sichtbar, weil die Waren fehlten. Solange, wie wir jeden Tag arbeiten und dafür sorgen, dass die Märkte gut versorgt sind, was den Sektor eigentlich ehren müsste, wird er nicht berücksichtigt.

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