Beleidigungen, Drohungen, Online-Hass: In Luxemburgs Tierkliniken prallen immer häufiger Emotionen auf Menschen, die eigentlich helfen wollen. Zwischen Mitgefühl, ethischen Grenzen und finanzieller Verantwortung geraten Tierärzt*innen an ihre Belastungsgrenze – und werden zur Projektionsfläche überforderter Besitzer*innen.
Es ist spät am Abend, nach einem kurzen Klingeln öffnet sich die gläserne Tür. Drei Personen sitzen auf einer Bank im rechten Wartebereich, eine weitere ganz links. Die Sekretärin an der Rezeption empfängt den Neuankömmling freundlich, die Hektik im hinteren Bereich ist jedoch deutlich zu spüren. Während am Tag nämlich ein ganzes Team in der Tierklinik um Krakelshaff vor Ort ist, um sich um die tierischen Patienten zu kümmern, übernimmt nachts ein*e einzelne*r Notfall-Tierarzt*ärztin den gesamten Dienst. Ein chirurgisches Team ist zwar "on call", außer in absolut dringenden Fällen ist letztere*r aber auf sich alleine gestellt, bis am kommenden Morgen die nächste Schicht beginnt.
Dasselbe Szenario, nur in der Tierklinik Bereldingen. Auch hier sitzt nachts eine Person alleine in der Praxis, genug Budget für einen Sicherheitsdienst gibt es nicht. Das Problem: Alle Notfälle des Landes treffen entweder in Bereldingen oder in Bettemburg ein – eine weitere Tierklinik besitzt Luxemburg nicht. "Unsere Tierärzte und Tierärztinnen sind also die einzigen, die nach Mitternacht überhaupt noch erreichbar sind", betont Dr. Tom Conzemius, tierärztlicher Leiter in Bereldingen. Stress gibt es in beiden Praxen genug, dieser gehört nunmal zum Arbeitsalltag der Tierärzt*innen dazu. Was hingegen nicht im Deal steht und dennoch darin enthalten ist: die Aggressivität, die manche Tierbesitzer*innen an den Tag legen.
Frauen und Ausländer*innen am meisten angepöbelt
Von Beleidigungen über Drohungen bis hin zu Online-Bashing – "zwar sind 98 Prozent der Leute nett und höflich, die zwei anderen Prozent aber reichen aus, dass die Stimmung im Team komplett kippt und irgendwann keiner mehr im Notdienst arbeiten will", sagt Dr. Conzemius. Im kommenden Jahr zieht die Klinik aus Bereldingen in ein neues Gebäude. Die erste Investition, die das Team sich in puncto Schutzmaßnahmen "gönnt": eine Eingangsschleuse, in der Tierbesitzer*innen erst einmal warten und ihr Verhalten unter Beweis stellen müssen, bevor sie Zutritt zum eigentlichen Empfangsbereich erhalten. "Damit wird zwar der Großteil unserer Kunden gestraft, weil einige wenige sich nicht zu benehmen wissen, aber dies ist für uns die einzige Lösung", erklärt der Klinikleiter.
Vor allem gegenüber weiblichem Personal gibt es immer wieder negatives Verhalten, das sich sowohl durch verbale Angriffe als auch Handgreiflichkeiten ausdrückt. "Einige Männer werden richtig aggressiv, vor allem mit unseren Angestellten im Sekretariat. Wenn ich dann als Arzt in den Raum komme, ändert sich der Tonfall abrupt und sie sind wieder freundlich. Dies kann ich absolut nicht tolerieren", sagt Dr. Conzemius. Dieselbe Feststellung mache die Klinik beim Verhalten gegenüber französischsprachigen Mitarbeiter*innen: "Es gibt zwei Fälle: die einen Kunden, die höflich erklären, dass sie nicht gut Französisch sprechen und für die wir eine passende Lösung finden. Und die anderen, meist ältere Herren, die sich auf Luxemburgisch aufregen und frech werden. Diese setze ich mittlerweile sofort vor die Tür, denn bei uns gilt eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jeglicher Form von Aggressivität. Es ist nämlich ganz einfach: Entweder wir arbeiten mit Ausländern oder wir können die Klinik schließen, Punkt."
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