Häftlingen zuhören

Von Audrey SomnardLex Kleren Für Originaltext auf Französisch umschalten

Eine Strafe zu verbüßen bedeutet, in eine Parallelwelt einzutreten und zum*zur Außenseiter*in der Gesellschaft zu werden. Ein Verein versucht, der Gefängniswelt wieder Menschlichkeit zu verleihen. Besucher*innen hören den Häftlingen zu, die für die Besuchsdauer wieder zu einem vollwertigen Menschen werden. Wir haben uns auf den Weg gemacht, diese Freiwilligen zu treffen.

In Luxemburg gibt es nur eine geschlossene Strafvollzugsanstalt, und zwar in Schrassig. Der Name ist allen geläufig, der Anblick jedoch nicht. Inmitten von Feldern gelegen und nur mit einer Buslinie erreichbar, die einmal pro Stunde fährt, wird die Gefängniswelt sorgfältig von der Gesellschaft ferngehalten. Doch einige Dutzend Freiwillige nutzen ihre Freizeit, um die Inhaftierten zu besuchen, ihnen zuzuhören und Trost zu spenden. „Ich wollte mich ehrenamtlich engagieren, was ich auch schon bei Flüchtlingen und Obdachlosen getan habe. Aber hier ist es anders, denn es geht darum, Menschen zu helfen, die von der Gesellschaft ausgeschlossen, allein und auf sich gestellt sind und Unterstützung brauchen”, erzählt Jean-Marc Schoorman, der seit etwa fünf Jahren als Gefängnisbesucher bei der Association luxembourgeoise des visiteurs de prison (ALVP, luxemburgische Vereinigung der Gefängnisbesucher*innen) tätig ist.

Vor fünf Jahren trat Jean-Marc Schoorman dem Verein bei, daher waren ihm die Werte der ALVP von Anfang an vertraut: kein Urteil, kein Proselytismus. Nach mehreren Monaten Teilnahme an Verbandsversammlungen ist Jean-Marc bereit für die beiden Vorstellungsgespräche mit dem Vorstand. Notwendige Vorsichtsmaßnahmen, wie der Besucher meint: „Damit lassen sich die Beweggründe abschätzen, denn nicht jeder ist dafür gemacht. Die Gefängniswelt ist sehr kalt, sehr streng, es gibt viele Regeln, die man einhalten muss, das muss man wissen.“ Andererseits verstehen die Gefangenen die neutrale Rolle, die der Besucher haben muss, nicht immer: „Wir haben viele Anfragen, sie denken zunächst, dass sie etwas bekommen können, aber das ist nicht unsere Aufgabe. Ich versuche, aktives Zuhören aufzubauen.“

Du willst mehr? Hol dir den Zugang.

  • Jahresabo

    185,00 €
    /Jahr
  • Monatsabo

    18,50 €
    /Monat
  • Zukunftsabo für Abonnent*innen im Alter von unter 26 Jahren

    120,00 €
    /Jahr

Du hast bereits ein Konto?

Einloggen