Der vergessene Lebensabschnitt

Von Sarah RaparoliLex Kleren

Egal wie sehr man seinen Job mag: Die meisten fiebern dem Ruhestand entgegnen. Wenn es jedoch so weit ist, wird vielen erst bewusst, dass sich mit dem allerletzten Arbeitstag eine Menge ändern wird. Ein neuer Lebensabschnitt beginnt, auf den sich jede*r vorbereiten kann.

In jungen Jahren scheint das Leben frei von Sorgen und Problemen und der Weg in Richtung Erwachsensein ist für die meisten (und dennoch bei Weitem nicht für alle) vorgegeben: Schule, Ausbildung, Uni, erster Job, eigene vier Wände, Kinder. Die erste größere Krise folgt Ende 20, wenn wir als junge Berufstätige auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen möchten. Gedanken wie "Was mache ich überhaupt hier?", "Ich kann ja doch nichts", "Ich schaffe das nicht" oder "Wie machen alle anderen das?!" machen sich breit. Irgendwann legt sich diese Angst. Man wird erwachsen. Über die Jahre hinweg stellen sich uns noch weitere kleinere Krisen in den Weg, bis der Ruhestand bevorsteht.

Denken Sie nun wieder an die ersten Zeilen dieses Textes: Der Anfang unseres Lebens ist (meist) durchgeplant. Aber wie sieht es mit den Jahren ab der Rente aus? Haben Sie sich darüber – sei es als aktuell Berufstätige*r oder bereits in Rente – tiefgreifende Gedanken gemacht?

30 bis 60 = 60 bis 90

"Wir planen unser gesamtes Leben, aber der Abschnitt danach wird ein bisschen vergessen", ist eine Aussage von Vibeke Walter, die während unseres Besuches zu einem Vortrag zum Thema Ruhestand fällt und die Prämisse dieses Textes gut widerspiegelt. Vibeke Walter arbeitet bei der Organisation gero – Kompetenzzenter fir den Alter. Sie ist die Verantwortliche für die Abteilung geroAKTIV. "Ich bin Mitte 50 und ich mache mir bereits Gedanken, was ich später machen möchte", erzählt sie. "Es ist gut, wenn man diesen Abschnitt auf sich zukommen lässt. Ich möchte nämlich auf keinen Fall sagen, dass jeder alles durchplanen muss. Das ist auch nicht immer möglich. Es wäre jedoch wichtig, sich folgende Gedanken zu machen: 'Auf was habe ich Lust? Was möchte ich noch machen oder was wollte ich schon immer tun?'" Die anschließende Aussage kann eine*n nachdenklich werden lassen. "Die Zeit zwischen 30 und 60 Jahren ist genauso lang wie die Zeit zwischen 60 und 90 Jahren. Es ist Wahnsinn, was in dieser Zeit noch alles umgesetzt werden kann."

Menschen Lust auf dieses "Danach" zu machen, das hat sich Heng Feit zur Aufgabe gemacht. Er leitet den Vortrag mit dem Titel "Pensioun, an elo?" (auf Deutsch: Ruhestand, und nun?) an besagtem Abend im Schauwenberg-Schloss im Bartringer Dorfzentrum. Für ihn war es 2019 so weit, mit 60 konnte er in den Ruhestand gehen. Er war 37 Jahre im Finanzwesen beschäftigt und sei, wie er selbst sagt, nicht wirklich auf dem Weg in den Ruhestand begleitet worden. "Ich hatte ein Abschlussgespräch mit meinem Vorgesetzten, aber mehr auch nicht." Er habe viel zu Hause gesessen, drei bis vier Mal seiner Frau angerufen, gesteht er und lacht. "Natürlich habe ich mich wenige Monate zuvor mit dem Gedanken auseinandergesetzt, aber dieses Thema wird öffentlich kaum besprochen. Man fühlt sich allein damit."

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