Sie stellen die Überzeugung in Frage, dass wachsende Volkswirtschaften das Tor zu einem besseren Leben sind, und plädieren für einen ganzheitlicheren Ansatz bei der Bewertung des Wohlergehens: Kein Wunder, dass die Glücksökonom*innen unter den konventionellen Ökonom*innen herausragen. Ihre Vision ist ebenso einfach wie weitreichend: Anstatt den Märkten unterworfen zu sein, sollten die Menschen und die natürliche Umwelt neben ihnen gedeihen.
„Es ist dringend notwendig, den sozialen Fortschritt neu zu definieren. Unsere Gesellschaften gehen von der falschen Annahme aus, dass Fortschritt mit Wirtschaftswachstum gleichzusetzen ist“, sagt Francesco Sarracino, leitender Wirtschaftswissenschaftler in der Forschungsabteilung des STATEC, dem nationalen Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien in Luxemburg. „Wir wissen sehr wohl, dass das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP, d. Red.) zur Verschlechterung der natürlichen und sozialen Umwelt beitragen kann und damit zu Unwohlsein führt, was das Gegenteil von Fortschritt darstellt.“
Da die neoklassische Wirtschaftswissenschaft zum vorherrschenden Modell in den heutigen Gesellschaften geworden ist, hat ihr Kerngedanke des wirtschaftlichen Nutzens die Vorstellung davon, was für die Menschen gut oder wünschenswert ist, weitgehend in Beschlag genommen. Die Betonung des Individuums als rationale*r Verbraucher*in, der*die seine*ihre materiellen Präferenzen zu maximieren sucht, hat dazu beigetragen, dass die Steigerung des Einkommens als Annäherung an ein gutes Leben in den Vordergrund gerückt wurde. Ebenso wurde das BIP bzw. seine Wachstumsrate zum Maßstab für den Fortschritt eines Landes. Im Laufe der Zeit, so Sarracino und seine Forscherkolleg*innen, habe diese eingeschränkte Sichtweise zu einer prekären Situation geführt, die das gegenwärtige Wohlergehen der Menschen und des Planeten beeinträchtigt und erhebliche Gefahren für die Zukunft mit sich bringt.
Dem Glück der Menschen auf der Spur
Der Forscher des STATEC arbeitet an vorderster Front an der Messung der Lebensqualität in Luxemburg und versucht, eine ganzheitliche Bewertung des menschlichen Wohlbefindens jenseits der traditionellen einkommensorientierten Messgrößen zu liefern. Die Berücksichtigung mehrerer Dimensionen, die sich auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken, ist ein Hauptmerkmal der sogenannten Economics of Happiness (Ökonomie der Lebenszufriedenheit), die sich von der Mainstream-Ökonomie abhebt. Das Forschungsgebiet, das seit dem späten 20. Jahrhundert erheblich gewachsen ist, kombiniert Methoden, die typischerweise von Ökonom*innen verwendet werden, mit Instrumenten, die zuvor von kognitiven Psycholog*innen entwickelt wurden. „Ziel unserer Arbeit ist es, evidenzbasierte Maßnahmen zur Förderung des Wohlbefindens und der nachhaltigen Entwicklung zu identifizieren“, erläutert Sarracino. „Deshalb sind wir daran interessiert zu verstehen, wie man das subjektive Wohlbefinden messen kann, was ausschlaggebenden Faktoren sind und wie man diese Messungen in die politische Entscheidungsfindung einbeziehen kann.“
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